Liebe Schülerschaft der Lindenau Schule,
heute vor 77 Jahren, am 27. Januar 1945 eroberte die 322. Infanteriedivision der Roten Armee die Gegend um Auschwitz, im von Deutschland besetzten Polen. Die militärische Führung der Sowjetunion rechnete in der Gegend mit verstärkten, deutschen Widerstand, jedoch befanden sich zu diesem Zeitpunkt kaum noch deutsche Besatzer in der Region. Die meisten waren bereits geflohen und hinterließen nur zerstörte Industrieanlagen und ein Arbeitslager.
In diesem Lager standen, hinter den kilometerlangen Stachel- und Elektrozäunen, hunderte Menschen, bis auf die Knochen abgemagert und mit Angst in den Augen. Die Soldaten besetzten das Lager und versuchten den Überlebenden zu helfen, die von ihren deutschen Besatzern zurückgelassen worden waren. In dem Lager selbst fanden sie Hügel aus Toten und grausame Beweise für den systematischen Massenmord an Millionen von Menschen. Ohne es zu wissen, befanden sie sich in einem sogenannten Vernichtungslager, dessen Hauptaufgabe darin bestand, menschliches Leben mit industrieller Effizienz zu vernichten. In Auschwitz allein sollen rund 1,1 Millionen Menschen den Tod gefunden haben. Das wären fast 1000 Menschen auf jede Schülerin und jeden Schüler, hier auf unserer Schule, gerechnet.
Einer von ihnen war Julius Walter Berberich. Ein Mann aus Großkrotzenburg, meinem Heimatdorf, welcher nur wenige Häuser weiter von mir gewohnt hat. Er wurde 1909 im deutschen Kaiserreich geboren, durchlebte mit allen anderen Bewohnern meiner Gemeinde die Jahre der Weimarer Republik und wurde 1938, 5 Jahre, nachdem Hitler und die Nazis an die Macht kamen, in sogenannte „Schutzhaft“ genommen. Er wurde deportiert und in das Arbeitslager Buchenwald gesperrt, wo er Zwangsarbeit verrichten und unter menschenunwürdigen Bedingungen hausen musste. Nach Beginn des zweiten Weltkriegs und dem deutschen Sieg über Frankreich wurde er 1940 in zwei Konzentrationslager in Frankreich deportiert, um auch dort Zwangsarbeit zu leisten. 1942 wurde er ein letztes Mal deportiert. Diesmal nach Auschwitz im besetzten Polen, wo er am 4. Januar 1943 in den Gaskammern, zusammen mit hunderten anderen Unschuldigen, vergast wurde.
Auf dem Höhepunkt dieser systematischen Vernichtung starben in Auschwitz täglich allein über 10.000 Menschen. Männer, Frauen und Kinder. 8 1/2 mal so viel, wie wir hier Schülerinnen und Schüler haben, jeden Tag, über Wochen und Monate hinweg. Ein Massenmorden das sich über Jahre erstreckte. Insgesamt starben durch diesen Massenmord etwa 6 Millionen Menschen, einem Ereignis, welches als Holocaust in die deutsche Geschichte eingehen sollte.
Mit Abstand am schlimmsten traf es die jüdische Bevölkerung. Auch hier in Großauheim. Jahrhunderte lebten die Familien der jüdischen Bevölkerung Großauheims hier. Sie besuchten zu religiösen Anlässen die Synagoge in Großkrotzenburg und nahmen am allgemeinen Leben teil. Bis 1940 die jüdische Gemeinde, bestehend aus rund 155 Menschen, in den Gemeinden Großauheim und Großkrotzenburg, aufhörte zu existieren.
Ich bitte hiermit alle, heute am internationalen Holocaustgedenktag, jetzt einen kurzen Moment des Schweigens ein zu legen, um an die Millionen Tote zu erinnern.
Vielen Dank